BeinamputiertWasGeht-Tag
Am Samstag, dem 26.09.2020, kamen 31 Betroffene aus dem gesamten Bundesgebiet mit verschiedenen Amputationsarten (Hüft-Ex, Hemis, OS- und US-Amputierte) in Bad Marienberg im Westerwald für Vorträge und einen Gedankenaustausch zusammen.
Unter Einhaltung der Hygienevorschriften mit entsprechenden Vorsorgemaßnahmen trafen die Teilnehmer am Morgen im Wildpark Hotel ein.
Am Tag zuvor waren unsere Paten zu einem Gespräch am Runden Tisch eingeladen. Es ergab sich ein reger Erfahrungsaustausch und eine Teilnehmerin schilderte, wie sehr ihr die Betreuung durch eine Patin vor der Amputation geholfen und sie aus ihrer Verzweiflung gerissen habe.
Von allen Paten wird ein Peer-Treffen im nächsten Jahr sehr begrüßt! Eine Teilnehmerin stellte sich als Resilienz-Trainerin und Mobbingberaterin vor und erklärte, sich gerne bei einer der nächsten Veranstaltungen einzubringen. Highlight war ein kurzer Vortrag einer nichtbehinderten 17jährigen Teilnehmerin. Sie stellt sich als Peer für Kinder und Jugendliche zur Verfügung, die ein von Amputation betroffenes Elternteil haben, da auch die Kinder und Jugendlichen von Betroffenen "betroffen" sind. Weitere Themen waren das Schmerzmanagement und dass eine frühzeitige Einbindung der Paten – am besten seitens der Klinik und noch vor der Amputation – helfen kann, das Trauma der Amputation besser zu bewältigen.
Ergebnis des Runden Tisches: wir machen weiter so!!! Jeder Besuch, jedes Gespräch, jeder Tipp ist hilfreich und lohnt sich …
Am Samstagvormittag stellte uns Rüdiger Merz, Peer-Counselor der EUTB Westerwald (https://www.teilhabeberatung.de/beratung/eutb-westerwald), die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung vor. Die ca. 500 EUTB-Stellen beraten Menschen mit Behinderung und von Behinderung bedrohte Menschen sowie auch deren Angehörige bundesweit zu Fragen der Rehabilitation und Teilhabe, sie erfolgt unentgeltlich und unabhängig von politischen Interessen. Die Beratung erfolgt u. a. im Peer-System, so dass Menschen mit einer bestimmten Behinderung auch von Betroffenen mit einer ähnlichen Behinderung beraten werden. Ziel ist, durch die EUTB-Stellen eine einzige Anlaufstelle zu schaffen, durch die Betroffene umfassend beraten und u. U. dann entsprechend weitergeleitet werden.
Tipp > schaut unter www.teilhabeberatung.de nach Eurer EUTB-Stelle im Ort oder Kreis, leider ist die amtliche Bekanntmachung der Stellen bislang sehr unzureichend …
Danach erfolgte von Christine N. eine sehr interessante Ausführung zum Thema: Hilfestellungen, wenn "nicht immer alles geht".
Sie stellte uns als Erstes das niederländische Buurtzorg-Modell vor. Es soll pflegebedürftigen Menschen ermöglichen, so lange wie möglich selbstbestimmt im eigenen Zuhause den eigenen Wünschen und Bedürfnissen entsprechend zu leben. Ein ganzheitliches, interdisziplinäres Konzept mit wenigen festen Pflegekräften, ohne Hierarchien, dafür mit viel "Miteinander" ist hier maßgeblich Programm. Im Moment finden sich diese Gruppen überwiegend in Norddeutschland, aber immer mehr Teams werden bundesweit gegründet. Wer Interesse hat: auf www.buurtzorg-deutschland.de kann man die Entwicklung verfolgen und vielleicht sogar ein Team in der Nähe finden.
Im weiteren Verlauf gab sie uns einen Einblick zum Persönlichen Budget. Personen mit Assistenzbedarf können eine ausreichend große Geldleistung erhalten, mit der sich der Budgetempfänger eigenverantwortlich die notwendigen Leistungen beschafft und z. B. im Rahmen eines Minijobs die ihm helfenden Personen bezahlt. Vor der Leistung muss eine möglichst ausführliche Kostenkalkulation vorgelegt werden und danach eine Abrechnung über die zweckgemäße Verwendung erfolgen. Anfänglich wird das Budget zunächst für kurze Zeit gewährt (z. B. ein Jahr), später kann es für einen längeren Zeitraum (z. B. 5 Jahre) erfolgen. Auch EUTB-Stellen können bei der Antragstellung helfen.
Wir haben verstanden: Hilfeleistung, Pflege und Assistenz sind große Themen, mit denen man sich beschäftigen sollte …
Nach der Mittagspause und Erstellung des Gruppenfotos (aufgrund des Wetters leider indoor) ging es mit dem Themenblock Sport und Freizeit weiter. Elena stellte uns ausgiebig die Möglichkeit der Bewegung im Sitzen − hier insbesondere das Tanzen − trotz Amputation vor. Wir staunten über die verschiedenen Möglichkeiten, mit oder ohne Prothese, im Rollstuhl, auf dem Stuhl, auf dem Boden, so wie es jeder kann. Ihre inspirierende, von Musik begleitete Vorführung ließ keinen mehr ruhig auf den Stühlen sitzen und so hatten wir alle auch unsere Sporteinheit geschafft. Zum Abschluss ihrer Vortragszeit zeigte sie mit ihrem Tanzpartner Chris einige Rollstuhltanzschritte und animierte uns, ein Online-Tanz-Meeting zu starten. Eine Einladung dazu folgt …
Unter unserem Motto − was-geht − berichteten viele Teilnehmer über Ferienländer und -orte, in denen Menschen mit Einschränkungen willkommen sind und gut zurechtkommen sowie über die unterschiedlichen Voraussetzungen in verschiedenen Ländern, eine Sonderparkerlaubnis zu erhalten.
Es fand ein sehr reger Austausch über sportliche Aktivitäten statt, dazu wurden parallel Aufnahmen gezeigt, die von unseren Teilnehmern zur Verfügung gestellt wurden – vielen Dank dafür! − Hier ist insbesondere das große Interesse an Liegerädern zu erwähnen. Die Möglichkeit, sich im Freien und fast zu jeder Zeit zu bewegen, hat bei den Nutzern einen hohen Stellenwert. Daher wurde von vielen Beispielen berichtet, wie ein "Kampf" mit Kostenträgern aussehen, aber auch, wie der der Kampf gewonnen werden kann.
Der intensive persönliche Austausch, die zielgerichteten Informationen, aber auch die Auswahl des Veranstaltungsortes hat den Teilnehmern sichtlich viel Freude bereitet. Ein herzliches Dankesschön von allen geht an die Tagungsorganisatorin Claudia A.
!!! Die Veranstaltung wurde von der AOK Rhein-Neckar-Odenwald gefördert!!!
Hier noch ein paar Impressionen dieses wirklich gelungenen Wochenendes :-)